sensory semantics

Forschungsschwerpunkte

Das Projekt SenS forscht an der Schnittstelle von Sprachwissenschaft, Kognitionswissenschaft und Lebensmittelsensorik. Die unterschiedlichen Perspektiven und Fragestellungen der beteiligten Fachgebiete bestimmen die Forschungsschwerpunkte des Projektes.
Gesprächslinguistik

Forschungsschwerpunkt im Projekt Sens am Deutschen Seminar der Universität Zürich ist die Gesprächslinguistik. Die gesprochene Sprache ist in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen und Verwendungskontexte der primäre Untersuchungsgegenstand. Zentrale Fragestellung dabei ist, wie im sprachlichen Alltag Geschmacksempfindungen in Worte gefasst werden.

Aus einer gebrauchssemantischen Perspektive wird die konventionelle Bedeutung von Geschmacksausdrücken untersucht. Dabei interessiert, in welchen Kontexten und mit welchen spezifischen Produkten sie genannt werden. Cremig beispielsweise erhält wie die meisten Geschmacksausdrücke seine konkrete Bedeutung erst im aktuellen Gebrauchskontext oder im Zusammenspiel mit Rahm, süsser Crème oder mit Kartoffelstock.

Aus konversationsanalytischer Sicht wird die Konstruktion von Bedeutung im Gespräch untersucht. Diese Untersuchungsperspektive widmet sich den sprachlichen Formen und Mustern im Gespräch, mittels denen Geschmäcker eingegrenzt oder definiert werden. Es konnte beispielsweise beobachtet werden, dass Sprecherinnen und Sprecher regelrecht in Verhandlungen über ihre Sinneswahrnehmungen und das Verständnis der jeweiligen Beschreibungen treten. Auch Formulierungsschwierigkeiten sind häufig zu beobachten. Zudem erscheint wichtig zu klären, inwiefern die Bedeutung von Geschmacksausdrücken anhand kontextueller Aktivitäten geklärt werden kann oder welche Aspekte aus gesprächsexternen Wissensbeständen beizubringen sind.

Für die gesprochene Sprache werden Diskussionsgruppen (Fokusgruppen) zu verschiedenen Geschmacksausdrücken oder Produkten durchgeführt. Dabei werden das Standarddeutsche und Schweizerdeutsche berücksichtigt. Die Gespräche werden aufgezeichnet und anschliessend für die Analyse verschriftlicht.

Für die Fokusgruppen suchen wir Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Falls Sie Interesse haben, an einer Fokusgruppe teilzunehmen, können Sie sich mit dem Webformular oder per E-Mail unverbindlich anmelden.

Kognitionslinguistik

Der kognitionslinguistische Teil des Projektes SenS beschäftigt sich mit der Frage, mithilfe welcher sprachlichen und kognitiven Mechanismen Geschmacksempfindungen in Worte gefasst werden. Ausgangspunkt der Untersuchungen ist der Befund, dass es im Deutschen nur sehr wenige genuine Geschmacksausdrücke gibt – nämlich bitter, sauer, salzig, süß. Geschmacksempfindungen können darüber hinaus jedoch auf vielfältige Art und Weise sprachlich zum Ausdruck gebracht werden.

Mit Blick auf Geschmacksausdrücke bietet sich die Untersuchung von drei Dimensionen an, die massgeblich die Gestalt mentaler Modelle mitprägen.
  • Historisch-semantische Aspekte der Bedeutung: Bedeutungen von Geschmacksausdrücken sind auch Ergebnisse ihrer früheren Verwendungen.
  • Konventionelle Aspekte der Bedeutung: Innerhalb einer Sprachgemeinschaft sind viele Bedeutungsaspekte eines Ausdrucks konventionalisiert. Sie werden vorausgesetzt und deshalb selten thematisiert.
  • Bedeutungskonstruktion durch Metaphern und Metonymien: Wichtige kognitive Mechanismen, mit denen Geschmacksempfindungen verbalisiert werden können, sind Metaphern und Metonymien. Mit ihrer Hilfe lässt sich auf der Basis von bekanntem Wissen (Quelldomäne) neues Wissen (Zieldomäne) erschliessen. Die sprachliche Beschreibung von Geschmacksempfindungen ist, schon aufgrund des sehr kleinen geschmacksspezifischen Vokabulars, auf diese Mechanismen angewiesen. 

Die Untersuchungen beziehen sich auf historische und gegenwartssprachliche Wörterbücher sowie die Textsammlung des deutschen Referenzkorpus des Institut für deutsche Sprache in Mannheim (COSMAS II).

Lebensmittelsensorik und Sprache

Wann immer wir im Alltag mit Lebensmitteln zu tun haben, sei es beim Einkaufen, Kochen und ganz bestimmt beim Essen und Trinken, arbeiten unsere Sinne. Sie beeinflussen die Auswahl, Beliebtheit und Bevorzugung von Lebensmitteln.
Die Lebensmittelsensorik ist ein Teilbereich der Lebensmittelwissenschaft; ihre Aufgabe ist es, die sensorische Qualität von Lebensmitteln über die menschlichen Sinne Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen zu erfassen und darüber zuverlässige qualitative und quantitative Aussagen zu machen. Sie wird in Forschung und Praxis mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen betrieben. Sensorische Tests kommen zum Beispiel in der Produktentwicklung, der Qualitätskontrolle oder im Marketing zum Einsatz, werden aber auch von Lebensmittelbehörden durchgeführt.  
Bei sensorischen Beurteilungen werden eine oder mehrere Personen zu bestimmten Aspekten ihrer Sinneswahrnehmung befragt. Es kann sich dabei um Konsumentinnen, Mitglieder einer sensorischen Prüfergruppe oder trainierte Fachexpertinnen handeln. Die Fragen werden den Testpersonen schriftlich in Fragebogen oder mündlich in Interviews gestellt.
Je nach Testmethode enthalten die Antworten ebenfalls sprachliche Anteile, etwa wenn es darum geht, ein süsses Fruchtgetränk in seinem Aroma zu umschreiben und mit Begriffen wie blumig oder nach Erdbeeren riechend zu charakterisieren. Die verbale Kommunikation spielt damit in der Lebensmittelsensorik eine zentrale Rolle.